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https://markustermin.com/2013/10/02/peter-sloterdijk-fast-wie-eine-priesterweihe/
Liebe Leserinnen und Leser,
wer hat denn den Jupiter im Zeichen Skorpion? Peter Sloterdijk zum Beispiel. Es ist nicht ganz selbstverständlich, vom mundanen, weltbezogenen Aufenthalt Ju-Piters zum persönlichen – hier als Beispiel P(i)ter Sloterdijk – zu schließen. Aber es stimmt, dass dieser Herr verwunden kann mit einem großen Stachel, einem Jupiter-Stachel, der „Feder“:
„Was psychologisch Resignation heißt, bedeutet in moralischer Sicht Neutralisierung von Streitsachen. Mit ihr werden vermittelnde Optionen zugänglich. Vor die abrupte Wahl zwischen immer verwerflicher Verstellung und immer löblichem wahrem Bekenntnis gestellt, mag es ratsam sein, fürs erste ins Reich der Zwischentöne auszuweichen.“ („Ist die Welt bejahbar?“, S. 34)
„Mit ihr werden vermittelnde Optionen zugänglich“ – da schreibt er vom Standpunkt derer, die solche Optionen erkennen, vielleicht nutzen, vielleicht – und das ist wohl eigentlich mitgedacht – solche Resignation erst erzeugen, um zu Handlungsoptionen im Sinne geschlichteter Streitsachen zu kommen – ein tief skorpionischer, manipulativer Gedanke wird unterschwellig angeboten.
Ein Aspekt der weltweit für alle gilt und je nach Geburtsbild ganz unterschiedlich beeinflusst, wird im persönlichen Geburtshoroskop zu einer klar definierbaren Eigenschaft. Zwischen den beiden materiellen und erotischen Zeichen Stier und Skorpion muss Sloterdijk – er hat Mars im Zeichen Stier – betont ein Gleichgewicht finden – ist damit mehr beschäftigt, wie andere.
Man kann deshalb in obigem Buch nicht selten die Wortschöpfung „Theo-Erotik“ finden – ein Begriff, den man hintersinnig aus dem Kontext deuten kann, wenn man gebildet genug ist und ein Fremdwörtelexikon zur Hand hat.
Insbesondere der Bildungshintergrund, den Sloterdijk voraussetzt, um verstanden zu werden – das Feuilleton-Potpouri – wird in wahrscheinlich weniger als einer Generation einfach wegfallen, so dass dieses vor Bildung, Intelligenz und Urteil nur so strotzende Werk – Stichwort kardinaler Krebs – nur noch von ganz Wenigen wird verstanden und nachvollzogen werden können. Zu befürchten ist, dass sich solcher „Stoff“ ob seiner in der Gegenwart anspielungsreich verseilten Denk-Knüpf-Technik – in Zukunft kaum mehr wird enträtseln lassen, weil ein Großteil der immer noch klassisch inspirierten Bildungsbezüge nicht mehr als bekannt vorausgesetzt werden kann – und zwar schlicht deshalb, weil andere Inhalte – games, movies, social networks – den Zeitaufwand kosten, den es bräuchte, um den roten Faden der geistigen Kontinuität weiter zu führen.

Da wir in der Vergangenheit im langsamen Untergang des Imperum Romanum einen eklatanten Bildungsverlust erlebt haben, der ein ganzes Jahrtausend in relative geistige Dunkelheit stürzte – ist nicht auszuschließen, dass sich sowas unserer Tage einleitend wiederholt. Es ist aber nicht sicher, ob das in allen Teilen wirklich tragisch ist – will sagen: ob die intelligent gestapelte Reflexion von Hellenismus, Romanismus und Renaissance denn außer Astrologie – die Sloderdijk, ohne sie zu nennen, durch seine Sphärologie zu ersetzen versucht – noch wertvolle Richtungsanzeigen für künftige Erdenbürger bietet?
Sloterdijks „Nach Gott“ ist eigentlich ein sehr frommes Buch – im Grunde das eigentlich fromme Buch, das Gott wirklich ernst nimmt – jeder Theologe sollte es lesen. Unschwer ist zu erkennen, dass Sloterdijk die Lilith genau dort hat, wo heuer Pluto läuft. Da kann man dann freilich so ein Buch rausbringen, denn Lilith im Zeichen Steinbock wollte schon immer die spirituellen Regeln ändern; nicht umsonst fällt bekanntlich Weihnachten und die tiefspirituelle Zeit ins Zeichen Steinbock.
Sloterdijk beschreibt – was man nur versteht, wenn man ihm Wort für Wort folgt – die Umformung des Gottesbegriffs, seitdem er en gros und allgemein nicht mehr der Erfahrung einer persönlichen Begegnung entspricht. Wie hat man sich den Schock, aus der Gottes-Herrschaft entlassen worden zu sein, ideologisch so zurecht gelegt, dass man eine praktikable Haltung zum Leben fand? – solch eine Frage beantworten die Texte dieses Buches.
Sloterdijks eigener, meist spöttischer Ton – kann man ihn zynisch nennen? – erinnert ans jüdische Gottes-Grundverständnis: man kann ihn beschimpfen, verleugnen, nicht an ihn glauben: all das ficht JHWH nicht an. So steht Peter S. wie ein Kind an der Klagemauer der Geschichte, kann vor Esprit kaum laufen, während er gleichzeitig weiß, wie dieser Geist nur in Ablehnung, Abwehr und Modifizierung dessen gewonnen wurde, das eigentlich Thema ist und – „Nach Gott“ – negiert wird.
So schreibt – unfreiwillig aber unentrinnbar – Sloterdijk als Gnostiker über die Gnosis – und produziert noch einen höher entwickelten Purzelbaum um den heißen Brei herum. Das wird unweigerlich zu einer Welt nach Sloderdijk führen, aber unter Umständen erneut wieder vor Gott.
Dort, an dem Ort, wo Sloterdijk schreibt, ist Gott am Wenigsten. Obschon er zwar das Wort ist, ist´s unmöglich, ihn ganz aus der Sprache oder Schrift zu bannen – aber die Sloterdijkschen Mikado-Sätze verbergen ihn gut, machen jedoch richtig Appetit auf solch souveräne Denkkraft, die sich bei Pontius und Pilatus und in den Qumran-Rollen auskennt und jedem Klischee eine originelle und unterhaltsame Wendung abgewinnen kann. Vielleicht deswegen ist es im Kern schwer, sich überhaupt im Kopf zu behalten, was man im Kapitel zuvor gelesen hat.
Natürlich sind Sloterdijk diejenigen nicht unbekannt, die auf der verschiedensten Wegen zu wahrer Gotteserfahrung gelangen wollen – er jedenfalls ist den Weg nicht gegangen und steht nun mit seinem glänzenden Sprachschatz vor dem Tor, und kann nicht rein.
Aber seine Hybris, gegen das Tor anzuspringen, ein rechter Tor zu sein – hat auch wieder etwas Edles: wenigstens gegenüber all den jovialen Hände-in-den-Schoss-Legern, die sich gar so sicher sind und Zweifel nicht kennen, bzw. berechtigte Kritik ihrer Widersprüche einfach abtropfen lassen, wie Wasser von einer Teflon-Pfanne, weil sie weder glauben, noch wissen – und schon gar nicht all das, was Professor Sloterdijk weiss …
Mit freundlichen Grüßen,
Markus
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