Europa, Poetry

Alt wird Neu

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Liebe Leserinnen und Leser,

Fotos sind immer Welt im Ausschnitt, noch dazu frei von Räumlichkeit und Bewegung. Sie geben also niemals die Wirklichkeit wieder, schon gar nicht die Atmosphäre. Beim langsamen Aufstieg zur Gralsburg des späten Mittelalters …


… zeigen sich dann diese royalistischen Wesen, die die Schwelle zur Elementarwelt bewachen: nicht scheu, neugierig, die Augen offen, bereit für den Wanderer, den sie seit sehr langer Zeit willkommen heißen in einer alten Welt, den Wandel ins Neue anzukündigend:

Drei Feuersalamander, ein kleiner und zwei riesige, uralte Amphibien, die verständig blinzeln, und zu sagen scheinen: „Willkommen, junger Mann, Gefährte unsterblicher Wagenlenkerinnen, es ist ja kein übles Geschick, dass dich (wieder) hier zu uns … “ …

Die Gralsburg – im mystischen Nebel – verstärkt den Eindruck:

Die Salamander gehören zur selben Salamander-Seele, die schon vor 650 Jahren (und wohl zig tausend Jahre früher) hier ihren Ort hatte. Salamander sind wie Adler, Skarabäen, Delphine wahrhaft mythische Tiere; zeigen sie sich dem Wanderer, dann geht es um den Film hinter dem Film, um die echte Realität, die mit einem mal den Schleier der Simulation durchbricht und uns in jene archetypisch wahre Welt holt, wo König, weise Frau, Ritter, Prinzessin, Elfe und Zwerg in unserer nach Erfüllung dürstenden Seele wohnen, die wir nur vorübergehend und in Abstumpfung unserer höheren Sinne nicht wahrnehmen können. Aber das wird, sagt dieser König der Tiere, sich ändern, wenn der Umkehrpunkt erreicht ist und der Weltenwahn sich zurückzieht, wie eine Welle, die sich auf´s Land verirrt hat …

Mit freundlichen Grüßen,

Markus

Geist, Poesie, Poetry

Vom Umgang mit schwierigen Aspekten und dem Lesen der Zeitzeichen

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Liebe Leser,

im Lauf der Woche habe ich versucht, mein Fahrrad reparieren zu lassen. Hinterrad  platt. Ich bin nicht so dekadent, sowas normalerweise nicht selbst zu machen. Aber am Hinterrad ist die Gangschaltung, die muss man einstellen, etc. Am Samstag hatte ich Glück bei meinem Fahrradhändler des Vertrauens, er war gerade noch da: Montag abholbereit. Doch, was soll ich euch sagen? – : ich setz mich drauf und gleich vor dem REWE – ein paar hundert Meter weiter ist es – –  wieder platt.

Nun denk ich erstmal einen Tag darüber nach, ob ich zu meinem Fahrradladen zurücksoll oder nun doch selbst die Schraubenschlüssel & Flickzeug zusammensuchen.

Nach einer Nacht drüber schlafen, entschloss ich mich, den Meister anzurufen: „Gewährleistung, klarer Fall. Bring vorbei – wir machen eine Express-Flickung … „. Gesagt getan. Wir haben ein nettes Gespräch über E-Roller, Freiburg, Prag – und ich bekomme noch einen Expresso … Dann – ich sitze wieder auf meinem Rad – keine 200 Meter später jenes bekannte Geräusch: „Pfüüütschsch … „. Nun fange ich langsam an, mit Gedanken über mein Karma zu machen, und werde leicht depressiv. Nun doch selber machen? Aber jetzt bin ich trotzig.

Wir – ich und mein Rad – gehen jetzt zu Oli in der Lindengasse, der Herr Rose ist gerade zum dritten Mal Vater geworden – das kostet jetzt doppelt (doch auf gar keinen Fall kann ich Frank, den ersten Meister, mit dem nächsten Platten heimsuchen – Frank ist Jungfrau geboren) – aber was gibt´s besseres, als ein junges Paar zu unterstützen?! Oliver findet endlich die Glasscherbe: – ich denke – ach so läuft Neptun/Saturn bei Jupiter/Chiron (plus!) Opposition!; – und erinnere mich an die Mysterien des Hermes, wonach das erste Wort war, welches der Pilger hörte, wenn er den Tempel verließ, auch das Orakel war. Ich verlasse den Fahrradtempel von Oli, und das erste Wort – eine Freundin sprich zu ihrer Freundin – ist der in den warmen Wind gesprochene Satzfetzen: “ … und da gab er mir ein Zeichen, das ich nicht verstehen konnte … „.

Nun entschließe ich mich das Rad – obwohl endlich voll funktionstüchtig (Bremsen neu eingestellt, etc. … ) zu schieben. Der Aspekt ist nahender Mars/Saturn in Schütze, steht zu mir in Quadrat und gehört im weiteren Sinne mit der Zwillings-Opposition zum Bewegungsapparat.

Wenn mir nix (mit dem Rad) passiert – ich fahre jetzt im August Roller – wird man anhand dieser Anekdote (ἀνέκδοτον, anékdoton, „nicht herausgegeben“) niemals beweisen können, daß Astrologie „funktioniert“ – denn es ist ja nix passiert. Aber genau das ist merkwürdigerweise der tiefere Sinn des Gebrauchs der Astrologie: daß nix passiert – oder jedenfalls die schlimmen Sachen umschifft werden können.

Man merke: zutreffende Vorhersagen sind oft Mist und verbauen die unbefangene Zukunft.

Die unerbittlichste Vorhersagekunst ist die Naturwissenschaft: obwohl sie – wenige merken es – an den Rändern sich irrational zu verfranzen geneigt ist, dort ins Gegenteil umschlägt – hier geht es (fast) nur um zutreffende Vorhersagen. Es erscheint merkwürdig, daß genau das für unser wahres Leben im Grunde genommen sehr wenig, vielleicht nichts bedeutet, denn wenn unser Lebensweg vollkommen vorhersehbar wäre, hätten wir keine Freiheit. Heute steht die Astrologie für die Freiheit, und die Naturwissenschaft für den Determinamismus, die Vorherbestimmungslehre, die unzufällig – Kismet – قسمة- – auch im alten Islam so zentral ist …

Mit freundlichen Grüßen,

Markus

Geschichte

Der Schutzgeist des Sokrates

Nürnberg 17:54 – es ist sonnig, es ist schön, die Katze jagt schon Vögel. Ich habe letzten Herbst vorausschauend einen kleinen Topf mit Kastanien auf meinen Balkon gestellt. Sicher, auch ich liebe Katzen. Schöne, heilige Raubtiere. Doch Vögel mag ich noch mehr. Und diese Kastanien machen ein wenig Krach und haben eine kleine Wirkung.

Sokrates (Σωκράτης) wurde in Athen um 469 v. Chr. geboren, als Sohn des Steinmetzen Sophroniskos und der Hebamme Phainarete. Er starb durch einen Justizmord um Jahre 399 v. Chr. Es mag nicht unbedeutend sein, dass wir vom Steinmetzsohn, der selbst wohl auch diese Kunst erlernt hatte, so genaue Portraits haben, die sich in einem einig sind: wie häßlich doch Sokrates war. Nicht, dass alle Widder häßlich waren, wie überhaupt diese Kategorien unter Umständen fragwürdig sind; im Gegenteil, Widder sind oft erstaunlich schöne Menschen, trotz der Fragwürdigkeit dieser Kategorien. Doch Sokrates sieht eindeutig wie ein Widder aus. Wahrscheinlich Sonne und Aszendent im Widder, Mond im Krebs. Oder aber Mond im Widder und Sonne in Waage. Wie jede Tierkreiszeichenprägung gibt es auch beim Widder 2 Hauptvarianten: die eine ist eben Sokrates hier unten, die andere hat den edlen Schnitt eines Ernst Jünger.

Obwohl also offensichtlich ugly, hat er dennoch sich die Liebhaber vom Hals halten müssen, vor allem die bisexuellen Söhne der Athener Aristokratie, von denen einige in ihn, dem Lehrer der Philosophie, verliebt waren. Doch Sokrates war offensichtlich nicht homosexuell, und es ist nicht wenig erstaunlich, als welch ungeheurer Affront gegen die allgemeine Moral zumindest der Oberschicht, von der Platon in unmittelbarer Beteiligung berichtet, das damals empfunden wurde. Wir wissen von seinem Leben ziemlich genau aus zwei unterschiedlichen Quellen: Platon und Xenophon. Die Tatsache, dass insbesondere Platon in seinen Sokratischen Dialogen ein schriftstellerisches Wunderwerk geschaffen hat, dass nicht nur sehr leicht zu lesen ist, sondern die Grundlage des westlichen Denkens überhaupt darstellt, unterstreicht die Bedeutung dieses Menschen Sokrates, eines Suchers und frommen Mannes, der immer wieder um die Bedeutung des Göttlichen gerungen hat (und sich im platonischen Werk, beispielsweise in Bezug auf Eros auch widerspricht). Sokrates und Jesus haben nichts geschrieben, hinterlassen (Jesus einmal im Sand).

„Als ich mich eben anschickte, mein Guter“, sagt Sokrates im platonischen Werk Phaidros – dem tiefsten, was über Schrift geschrieben und gesagt wurde seit je – „durch den Bach zu gehen, geschah mir, wie ich es gewohnt, jenes dämonische Zeichen – immer hemmt es mich nur, wenn ich etwas unternehmen will -, und es war mir, als vernähme ich aus diesem Orte eine Stimme, die mir verbot, davonzugehen, bevor ich mich entsühnt hätte, weil ich gegen die Gottheit gefrevelt hätte.“

Was nun war dieses „dämonische Zeichen“?

Hierzu schreibt, freilich fast ein halbes Jahrtausend später Plutarch:

„Gut“, sagte Theokritos, „Aber den Schutzgeist, das Daimonion des Sokrates, mein Bester! Sollen wir das auch für Schwindel erklären und wofür?“ … Hier unterbrach mein Vater, und sagte: „Wahrhaftig Galaxidoros, auch ich habe von einem Mann aus Megara und er von Terpsion gehört, dass der Schutzgeist des Sokrates ein Niesen war, teils ein eigenes, teil von anderen; nieste ein anderer zu seiner Rechten, sei es hinter, sei es vor ihm, so schritt er zur Ausführung des Vorgehabten, wenn aber zur Linken, dann nahm er davon Abstand; und was das eigene Niesen angeht, so bestärkte es den Entschluss, wenn er noch am Überlegen war, und hielt ihn auf und hemmte ihn, wenn er schon bei der Ausführung war.“

Ich lebe danach seit einigen Jahren, und habe es für wahr befunden. Wer sich die Mühe machen will, den Original-Text bei Plutarch zu lesen: go for it, er ist tiefer, als der Tag gedacht!