Liebe Leserinnen und Leser,
so, wie wir vorgestern das Grund-Missverständnis der modernen Naturwissenschaften und ihres gültigen Maßstabs erklärt haben – eine im wahrsten Sinne des Wortes Not-wendige Maßnahme, wenn wir uns je wieder mit den anderen Wissenschaften vereinigen wollen (denn erst müssen Sie ihren Irrtum erkennen und korrigieren) – werden wir uns heute mit einer Sackgasse beschäftigen, in die sich eventuell die Astrologie selbst seit langer Zeit begeben hat, der Präzession.
Indem wir an der Präzession rütteln (die es so interessanterweise erst seit dem 16. Jahrhundert gibt), rütteln wir nicht nur an den Grundfesten der Astrologie, sondern an einer Säule aller Esoterik, aller Weltzeitalter-Lehre überhaupt. Es ist aber, wie ich glaube, dieses „Rütteln“ genau so nötig, wie das Rütteln an den Grundfesten der aktuellen Naturwissenschaft, wenn wir zu einer Philosophie der Astrologie kommen wollen.
Oskar Adler hat den Titel „Das Testament der Astrologie“ vielleicht doch voreilig gewählt. Er schreibt:
„Infolge der Achsendrehung der Erde scheint sich die Himmelskugel täglich einmal um die Erde herumzudrehen; infolge der zweiten Bewegung scheint die Sonne im Laufe eines Jahres an der sich täglich um die Erde drehenden Himmelskugel eine Kreisbahn zu ziehen, die nach Ablauf eines Jahres wieder in sich zurückkehrt. Diese Bahn, die eigentlich die an den Hintergrund des Fixsternhimmels projizierte Erdbahn ist, nennen wir Ekliptik; annähernd in dieser Bahn scheinen auch die übrigen Planeten zu wandern; sie bestimmt auch die Lage des Tierkreises am Himmel. Tierkreis, Zodiakus ist recht eigentlich der esoterische Name für das, was die Astronomen Ekliptik nennen … Zu den beiden jetzt besprochen Erdrhythmen gesellt sich aber noch ein dritter, dessen Periodenlänge mit etwa 25 600 Jahren angegeben wird. Er kommt zustande durch eine eigentümlich langsame Drehung, die die Lage der Erdachse selbst betrifft. Unter Beibehaltung ihrer Neigung gegen die Ekliptik führt sie längs der Mantelfläche eines Doppelkegels eine überaus langsame Kreiswanderung durch.“
Es wurde viel über die Präzession – die wir als Wanderung des Frühlingspuntes (ca. 1 Grad in 72 Jahren) erleben – gestritten, und immer wieder bringen diverse Zeitungen das Argument von den „verschobenen Tierkreiszeichen“. Dabei ist längst bekannt, daß die Erde den tropischen Tierkreis unveränderlich mit sich führt.* An der Einteilung der 12 Tierkreiszeichen würde sich auch dann nichts ändern, wenn das Jahr nur 360 Tage hätte. Ganz unter den Tisch fiel dabei die Frage, ob es die Präzession denn überhaupt gibt?
Dabei hängt daran recht viel – die Einteilung der Weltzeitalter in der Antroposophie beispielsweise. Einer, der sich nachvollziehbar intensiv mit der Frage beschäftigte, war Tycho de Brahe, der eigentlich die sogenannte Trepidation widerlegen wollte, die Idee, daß die Erdachse nicht rotiere, sondern pendle. So absurd diese Idee heute unseren Ohren klingen mag, müssen wir anerkennen, daß Theon von Alexandria im 4. Jahrhundert p. Chr. andere Quellen und Aufzeichnungen aus tausenden von Jahren aus der berühmten Bibliothek von Alexandria zur Verfügung hatte, bevor sie mutwillig zerstört wurde. Und auch Herodot gibt einen eigenartigen Hinweis aus Ägypten:
Sonnenaufgang « Markus Termin – Astrologisches Stundenbuch
„The Great Library of Alexandria“, O. Von Corven
Tatsächlich verschiebt sich der Frühlingspunkt nicht – das ist ja per Definition ausgeschlossen – sondern der Hintergrund des Sternenhimmels verschiebt sich gegen den Frühlingspunkt. Und das tut er auch nicht rückläufig, der Fixsternhimmel, sondern direktläufig. Deswegen steht heute Regulus nicht mehr im Zeichen Löwe, sondern auch im astronomischen System im Abschnitt Jungfrau. Geschieht das aber wegen des „Eierns“ der Erdachse? Und wie ließe sich das beweisen? Der Astronom und Mathematiker Karl-Heinz Homann kommt zu einem anderen Ergebnis. Er hat Jahre damit verbracht, das siderische (an den Fixsternen orientierte) mit dem tropischen Jahr (an der Sonne orientiert) zu vergleichen. Er schreibt:
„Any time-delay in a planet’s rotation period with respect to the inertial system of the fixed stars due to a precessional motion of the planet’s axis, can never have any influence on the planet’s actual revolution period around its sun. Completely contradictory to this statement is therefore the assertion about the time period of the so-called true sidereal year, which only appears to exist in the supposition that a precession of the Earth exists. But this would mean that the time interval for each consecutive revolution period of the Earth around the sun with respect to the position of the fixed stars should be about 20 minutes longer than the tropical year (the absolute physical measurement standard for time). This is in reality not the case.„
Homann on Precession-Time Paradox
Was würde das nun für die Astrologie bedeuten, wenn es tatsächlich keine Präzession gäbe? Sicherlich dürfen wir hier schmerzlich die „Trennung“ von der Astronomie bedauern – denn ob es stimmt, oder nicht, wäre nur durch ein astronomisches Projekt zu klären, das Homanns Berechnungen überprüft. Hier wie andernorts besteht nämlich – ganz entgegen dem Vertrauen, das völlig unbegründet der Wissenschaft entgegengebracht wird – die Tendenz jahrhundertelang voneinander abzuschreiben, ohne selbst die Dinge gewissenhaft zu prüfen. Astronomen sind heute nicht selten Fachbereichsverwalter, manche brüsten sich damit, im Leben noch durch kein Teleskop geschaut zu haben.
Die Astrologie der alten Zeit – das dürfen wir immerhin vermerken – hat einen barocken Einschlag – egal ob im Westen, bei den Maya oder Chinesen: immer geht es darum, die Welt als klar geordnetes System zu begreifen, in der Vorgänge berechenbar ablaufen. Wie nun, wenn dies so nicht der Fall wäre? Und merkwürdig im wahrsten Sinne des Wortes, daß aus diesem alten System der Zeiten-Beobachtung sich etwas gleichsam destilliert hat, das aus dem Allgemeinen etwas ins Persönliche, Individuelle verschoben hat – und dieses ist nun exakt, genau!
Wie, als wäre es gerade das Instrument, welches der Mensch braucht, um aus dem kollektiven Bewußtsein in ein ganz und gar individuelles überzutreten.
Und – wie immer! – mehr dazu dieser Tage.
Mit freundlichen Grüßen,
Markus
* Sehr profund von Dieter Koch in „Kritik der Astrologischen Vernunft“.
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