Europa

Erkenntnis und Bewegung – Drachenkopf in Zwillinge

Liebe Leserinnen und Leser,

gerade neulich, ich kam aus dem Wäldchen im geschlossenen Klostergarten des alten Prager Klosters Braunau und hörte, neben lieblichsten Rotkehlchengesängen  und der Sprache freundlich warmen Windes, der durch die frischen Frühlingsblätter streicht – die Rufe der Jungen schon bevor ich sie sehen konnte. Sie spielten Frisbee in zwei großen Gruppen mit Spielführer und Regeln, einige hatten Pfadfinder Uniformen an. Ich ging an ihnen vorbei mit Freude und Bewunderung und Dankbarkeit für ihre positive, maskulin gesammelte Energie. Da die Spieler teils schon große Recken, teils noch kleine Bengel waren, wurde ich im Vorbeigehen Zeuge einer Szene, die man nur in Zeitlupe schildern kann, die sich aber in Wahrheit fast, wie das Sprichwort sagt, im Bruchteil einer Sekunde abspielte. Im Grunde nichts Besonderes. Einer der kleinen Bengel schafft es, im Gewühl und aus dem Haufen sich den oder das Frisbee zu ergattern. 

Damit es weiter geht, kann und muss scheinbar der Spielführer – einer der mittel hohen Recken, das oder den Frisbee wieder ins Spiel bringen (er trägt sportlich keine Uniformjacke, aber das Halstuch und das kaki-farbene Indiana-Jones-Hemd – „Fähnlein Fieselschweif“, fällt mir ein) – und fordert den frisch ergatterten Frisbee nun daher von dem kleinen Bengel, dem augenblicklichen Inhaber der Souveränität, der glücklich als Unterster im Gewühl sich als Geschicktester erwiesen hatte. Die Forderung des größeren, Älteren erscheint respektlos gegenüber des Kleinen Leistung. Und was macht der? Er wirf dem mittel-hohen Spielführer, der unmittelbar neben ihm steht, den Disk zu, und zwar auf eine Distanz von ca. 60 cm. Das Bemerkenswerte an diesem Wurf ist, dass es ein Wurf war, und kein bloßes, anmutsloses und in diesem Fall unangebracht mutloses Hinüberreichen, so dass der Disk tatsächlich ultrakurz – Zeitlupe an – von Spieler zu Spieler schwirrte auf diese wirklich sehr kurze Distanz, ähnlich wie im Fussball, wenn ein Freistoß angestoßen, aber von einem zweiten Spieler ausgeführt wird. Und ebenso bemerkenswert: obwohl der große Junge von der Tatsache überrascht wurde, dass es sich um einen Dreh-Wurf und keine plumpe Übergabe handelte, konnte er doch geistesgegenwärtig reagieren und die ultrakurzen Distanz-Wurf auch wirklich annehmen. Damit aber blieb die Souveränität, die Würde des jungen kleinen Fängers gewahrt, er rundete sein glückliches Ergattern des Frisbees mit einer regelkonformen und spielerisch schönen Bewegung ab.

Und nun das, worauf ich hinaus will: denn ganz obendrauf zu dem Geschehen kommt noch meine Zeugenschaft. Eigentlich sehr kurz, nur im Vorbeigehen, aber eben so im „timing“, dass beide Spieler sich meines Blicks bewusst sind und also in die gelungene Aktion mich, den Zeugen, in gewisser Weise mit einbeziehen!? Doch da dies so umfassend im wahren Wortsinn spielerisch geschah, glich für mich das ganze einem Tanz von ineinander verwobenen Bewegungen, deren Sinn gerade die Zeugenschaft dieses Moments für alle Beteiligten war, unbedeutend bedeutend, als würde mit diesem gemeinsamen Gelingen einer spielerisch meisterhaft ausgeführten Geste auch ein meisterhaftes Spiel aufgeführt, ein Theaterstück, das sich David gegen Goliath nennt. Und der sympathische Recke lebt noch, weil es eben ein Spiel ist.

Wenn jetzt der Blick sich weitet zur Selbstbeobachtung, dann verengt er sich auf der anderen Seite. Doch ist Selbstbeobachtung ja gerade – das E über dem Tempel zu Delphi – die Beobachtung, dass man gar nicht „Selbst“ ist. Das ist der Weg, den alle Erkenntnissuchenden gehen müssen: sie finden heraus , dass sie gar nicht die Urheber ihrer Gedanken und auch nicht ihrer Gefühle sind. Man distanziert sich von sich selbst – vom εγώ. 

Es ist also nicht mal sprachlich unzugänglich, sondern offen ausgesprochen: wir sind mit uns selbst zu zweit. 

Foto Termin copyright

Jener Beobachter, der das Selbst beobachten kann, der wir aber auch sind – wenn sich die Dinge klären, licht werden, wenn sie aufblühen, das sind wir wohl auch, jene „schönere Seele“, von der Hölderlin singt. 

Aber mit diesem Beobachter, der das Selbst beobachtet – also ganz einfach z.B. uns beobachtet, wie wir wütend werden, den Grund der Wut (Mars/Pluto) durchschauen und eventuell länger daran arbeiten, um sie dann zu überwinden, damit sind wir im Geistbereich (Neptun). Er ist das, was den Menschen ausmacht und was die Tiere nicht haben, auch, wenn sie unfassbar viel anderes haben, das wir nicht haben. Deswegen sagt Jesus Christus: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Weil es eben auf das Bewusstsein ankommt.

Aber zurück zum Selbst – selbst wenn man erkannt hat, dass jenes Theater aus Gedanken und sogar Gefühlen in vielerlei Hinsicht aus dem Unpersönlichen kommt, und von den Instinkten gesteuert wird, während Gedanken zunächst einmal Schablonen von anderen Denkern sind, die zu verstehen und vielleicht sogar zu durchschauen a lifetime needs, bleibt dennoch eben die Tatsache, dass es uns möglich ist, uns selbst zu durchschauen. Glasklar. Und hier blitzt es auf, das ewige ätherische Licht von Gandalf, dem Orgonschleuderer.

Mit freundlichen Grüßen,

Markus