Nürnberg, 19:41 – warm und mild, endlich, schöner Abendhimmel. Ich gebe zu, es macht irgendwie mehr Sinn, die Menschen mit Ihren Horoskopen vorzustellen, wenn sie Geburtstag haben. Doch bei den beiden, um die es mir hier geht, habe ich einen konkreten Anlass.
Datei:Akademieschliessung.jpg – Wikipedia
Da wäre einmal Joseph Beuys. Dass der den Mond im schamanistischen Krebs hatte, wen wunderts? Interessant ist Uranus in den Fischen. Denn dieser Geist herrscht heute auch, und er treibt zum Beispiel mich um, wenn ich diesen Blog bearbeite. Wäre Beuys 83 Jahre alt geworden, er hätte einen vollen Uranus Umlauf mitbekommen. Venus im Widder passt: die eigene Ästhetik kämpferisch durchsetzen. Mars in den Zwillingen: kämpfen mit Intelligenz. Merkur und Sonne im Stier: hat wirklich ein Händchen für Geld. Saturn und Jupiter in der Jungfrau: Königskonstellation im Zeichen des Aufräumens, hier von geistigen Dingen, also aufräumen mit herkömmlichen Vorstellungen von Kunst. Der andere ist John Cage:
Cage steht rechts, links David Tudor
John Cage wurde achtzig Jahre alt, und obwohl er den „Cage“, also den „Käfig“ im Namen trug, machte er ebenso wie Beuys sein Leben lang Ausbruchskonzepte. Cage hatte seinen Mond in den Zwillingen, dafür den Mars in der Waage. Mit Kunst kämpfen ist die einfachste und treffendste Übersetzung. Mond in den Zwillingen codiert den Emontionalkörper, die mitgebrachten Talente für den Bereich Wissen und Information. Kinder mit Zwillingsmond sind daher heute eine leichte Beute für die Computerspielsucht, die einmal im Jahr auf der Spielwarenmesse von Vertretern der Regierungspartei hier in Nürnberg zu den großen Errungenschaften unserer Zivilisation gekührt wird. Durch die Jungfrau-Sonne und den AC in diesem Zeichen ist Cage noch stärker Jungfrau geprägt, wie Beuys. Jungfrau ist das Zeichen der Modifikation des Substantiellen zu praktischer Verwendbarkeit. Als ich neulich in meinem Café saß, und die CD einen Sprung hatte, so dass eine halbe Stunde lang immer dieselbe Sequenz ertönte, hat dies niemand bemerkt. Beuys und Cage wollten auf ihre Weise, der eine mit Konzepten und mit dinglichen Werken, der andere mit Tönen, auf die Notwendigkeit aufmerksam machen, dass die Zukunft der Kunst nicht darin liegen kann, die Hierarchie zwischen Künstler und Hörer, oder zwischen Betrachter und Künstler aufrechtzuerhalten, sondern dass „jeder ein Künstler“ sein muß, wenn die Welt eine Zukunft haben will. Beuys beliebte zu sagen: „Ich denke sowieso mit dem Knie“: ?! Mit anderen und einfachen Worten: das Konzept der Bühne, wo man aktiv ist, und dem Zuschauerraum, wo man passiv ist, ist im Prinzip überlebt und unserer Zeit nicht angemessen. Um dieses Konzept zu ruinieren, avancierte Beuys innerhalb eines Jahrzehnts zum höchstbezahlten Künstler des Erdballs. Hinter vorgehaltener Hand darf man sich darüber wundern, warum für diesen Posten immer ein Deutscher herhalten soll; zur Zeit ist es Neo Rauch. Im sündhaft teuren „Architekturjuwel“ (161 Mill. Euro) „Museum für Neue Kunst“ in Nürnberg hat sich die Stadt erblödet, ein Werk von Beuys auszustellen (und natürlich für viel Geld zu kaufen), wo man nur ein großes Aquarium sieht, mit all dem aufgekehrten Gerümpel, massenweise Kippen, Flugblättern, ect. aus einer von Beuys´ vielbesuchten Dortmunder Vorlesungen. Denn der Meister ließ es sich nicht nehmen, nach dem Rummel selbst aufzukehren. Als Ding, als „Objekt“ ist dieses Werk maximal sinnlos, und war auch nie als solches gedacht. Beuys wollte die Menschen auf den Prozess der Kunst lenken, und ebenso Cage, der die Struktur seiner Werke schließlich so stark minimierte, dass ein Konzert für zwei Straßenbahnen keine utopische Vortsellung mehr war. Der Gedanke an ein Establishment, dem es gelungen ist, oft auf Grund von Geburt und Namen (freilich, Kunstgeschichte haben die Herren und Damen immer studiert!) eine Position im gut bezahlten Honorarbereich städtischer Kultur zu erklimmen, treibt mir, ich muß es zugeben, irrationale Wut in den Sinn. Denken wir uns doch mal den „Friedenprozess“ – in Anführungsstrichelchen, denn es gibt ihn kaum – im Nahen Osten als künstlerischen Prozess. Oder die Olympiade in Peking. Fällt denn niemandem etwas ein?


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