Personen, Poetry

Rainer Maria Rilke

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4. Dezember 1875 um 23:50 PM in Prag

rilke

Daraus, daß einer dich einmal gewollt hat…

Daraus, daß einer dich einmal gewollt hat,
weiß ich, daß wir dich wollen dürfen.
Wenn wir auch alle Tiefen verwürfen:
wenn ein Gebirge Gold hat
und keiner mehr es ergraben mag,
trägt es einmal der Fluß zutag,
der in die Stille der Steine greift,
der vollen.

Auch wenn wir nicht wollen:
Gott reift.

R.M. Rilke

Dies ist das achte Gedicht aus dem „Buch vom mönchischem Leben“, 1899. Es ist Teil einer Kompilation, die Rilke „Das Stundenbuch“ nannte, und schon dies allein verpflichtet mich, dem großen Dichter zu huldigen. Ich komme etwas zu spät für den Jubilar, aber immer noch steht die Sonne im Schützen, also laut indianischer Astrologie im Zeichen der Eule. Zum Wassermann-Mond sagt Oskar Adler ein paar eulenweise Worte: „Es entsteht so das Bild eines Menschen, der zeitlebens in dem Glauben befangen ist, vor allen anderen ausgezeichnet und etwas danz und gar einmaliges zu sein, aber nicht begreift, um wessentwillen er eigentlich diese Auszeichnung genießt.“ „Mit Mond in Wassermann ist man entweder die unverstandene Frau, oder der verkannte Mann.“ Wenden wir diese Zeilen auf obiges Gedicht an, so begreifen wir schnell, dass einfache Psychologie beim Genie an eine Aussagegrenze stößt. Denn das Unverstandene und Unverständliche, das Einzigartige, das Hervorgehobene ist hier, wie bei allen Rilke Gedichten in Worte gegossen, die es eben doch – dies das tiefe Geheimnis der poetry (um nicht „Poesie“ zu sagen) verständlich ist, und zwar so sehr, dass Rilkes Gedichte gleich denen des nicht minder genialen Hölderlin sogar über kurz oder lang absolut praktische und brauchbare Wegweiser für den einzigen Weg, den es sich zu gehen lohnt, sind: den Weg der Seele zu sich selbst. Sein Wassermann-Mond wird ihn auch an Lou Andreas-Salome gebunden haben (12. Feb. 1861 St. Petersburg), eine Wassermann-Frau mit unendlich offenem Fische-Mond. Lou Albert-Lasard, Skorpion mit wahrscheinlich Schütze-Mond (10. November 1885 in Metz) hatte, wie Rilke, eine Steinbock-Venus. Warum er sich vom Namen Lou angezogen fühlte, hab ich noch nicht rausgefunden. Ob es mit der verstorbenen Schwester zu tun hatte? Dass sich der Dichter in der bohème heimisch fühlte, zeigt uns die Lilith in vierten Haus. Und seine Unstetigkeit bei der Wohnortwahl mag dem Trigon von Uranus und Sonne geschuldet sein. Bei einem Dichter muß ich wohl nicht eigens auf Jupiter und Merkur in Haus 3, dem des Schreibens und der Intelligenz hinweisen?