Weltbild

Bernd Ingmar Gutberlet

Dieses Buch hat einen geschickt gewählten Untertitel „Die Wahrhheit über das größte Rätsel einer Hochkultur“. Das impliziert jedenfalls: Rätsel muß nicht gelöst werden. Und wird es auch nicht. Der Pluspunkt dieses Buches liegt eindeutig in seiner relativ gut recherchierten Darstellung des gesamten Forschungsgebietes inkl. historischer Entwicklungen der Maya-Interpretation. Gutberlet erzählt dabei kompakt und kurzweilig. Und mehr noch: locker sein Buch lesend wird man eingeführt in die Finessen der Maya-Zählung und deren Problematik. Er erklärt zum Beispiel, warum untere Textur der 18. Jan. 771 des julianischen Kalenders ist (durch Anklicken vergrößern):

18. Jan. 771 jul.

Besonders, wenn er auf die Mathematik der Maya zu sprechen kommt, läßt Gutberlet uns ahnen, wie aus einer Mathematik ohne Bruchrechnung auf der Suche nach Rhythmen und gemeinsamen Nennern eine bestimmte Methode des Rechnens entsteht. Doch er sagt uns nicht – und man scheint es (noch) nicht zu wissen, um welche Rhythmen es sich handelt. Mit anderen Worten: ist der Kalender kongruent mit bestimmten planetaren Rhythmen?

Offensichtlich sind oben die Venus-Sonnen Konjunktion und die exakte Opposition der Sonne zu Neptun: den die Maya ja noch nicht gekannt haben können?! Aber so sicher ist das nicht. Denn worauf Gutberlet nicht eingeht, das sind die Mittel – gemeint sind bewußtseinserweiternde Drogen, wie z.B. Peyote-Kaktus, Pilze – die die Maya und andere mittelamerikanischen Völker für ihre spirituellen Visionen benutzt haben. Man müßte also allen Ernstes diesen Kaktus zur Klärung selbst benutzen, um die Bilder  in einem tiefen Kontext entschlüsseln zu können. Doch hier ist das gar nicht erlaubt und dies soll auch nicht als Aufforderung dazu verstanden werden! Peyote beispielsweise ist sogar heute noch das anerkannte Sakrament einer „Native Amercian Church“ und des Huichol-Maya-Stammes in Mexiko (die mit den superbunten Perlen-Bildern).

Und wer wissen will, worum es dabei wirklich geht, muß die ersten drei oder vier Bücher von Carlos Castañeda lesen (Reise nach Ixtlan), um überhaupt zu ahnen, was da noch für eine uns völlig unbekannte Welt existieren könnte. Peyote wird von den Huichol-Maya Indianern als Gott betrachtet, der die Menschen in eine Welt der Weisheit führt. Natürlich könnte man auch dort hinreisen, denn die Huichol-Maya haben in Mexiko eine Ausnahmegenehmigung zum Gebrauch dieser Pflanze bei ihren religösen Zeremonien.

Insgesamt kann ich das Buch sehr empfehlen. Ein gutes Gegegenmittel zu allzu blümeranten „spirituellen“ Maya-Hoffnungen. Es steht nicht im Zentrum dieses Buches, aber Gutberlet erwähnt mehrmals die seltsamen masochistischen und sadistischen Praktiken insbesondere der Maya-Könige, die ähnlich wie bestimmte Aborigines in Australien dies taten,  ihre Macht auf der Fähigkeit gründeten, sich äußerst schmerzhaft Blut aus dem Penis zu zapfen, um damit magische Rituale auszuführen. Und zwar an bedeutenden Feiertagen.

Worüber dieses Buch leider nichts weiß, ebensowenig, wie die anderen zu diesem Thema erschienen Bücher, das ist, eine inhaltliche Kongruenz zwischen Daten, Himmelsbeobachtung und Ereignis herzustellen: warum die Maya zu einem bestimmten Datum bestimmte Dinge für günstig oder angebracht hielten: beispielsweise die Aufstellung oberer Stehle zur Venus-Sonnen Konjunktion. Hier finden wir nur die übliche historisierende soziologisch-evolutionistische Erklärung; jedoch, was soll´s: man muß wissen, von wem man erwarten kann, über den Zaun zu schauen, und von wem nicht.

Sicher werden wir diesen Dingen auf die Spur kommen, aber erst, wenn in diesem interdisziplinären Reigen Astrologen mittanzen. Denn es ist doch merkwürdig, wenn man versucht, einer Kultur Geheimnisse zu entlocken, die samt und sonders auf Astrologie basieren, wenn man diese, die Astrologie selbst, nicht hinzunimmt zu den  Disziplinen, die zu einer Klärung beitragen können.