Nürnberg – 12:31 – Pfingsten ist das Fest der Christenheit, bei dem ich am Tiefsten empfinde. Natürlich passt das Wetter: alle Vögel sind schon da, ihr Jubel und die Schönheit ihrer Botschaften kann Feiertags sogar die share houlder value Gesellschaft toppen. Jesus, wie er da am Feuer sitzt, den befremdeten Jüngern zum dritten Mal erscheinend, Brot und Fische röstend. Das ist ein Bild, wie es durch das Medium Film sehr gut wiedergegeben werden kann, weil sich hier Gleiches mit Gleichem begegnet: das Geisterhafte den Schein-Bildern, die doch, auf den Kopf gedreht, überall in der Luft stehen, denn unsere ganze optische Wirklichkeit ist eine Camera Biobscura, ein lebendiges Abbild des Abbildes vom Abbild … In dieser Wirklichkeit vermittelt der Heilige Geist die Möglichkeit einer Verständigung überhaupt. Indem wir mit einem Mal merken, „dass es ist, und nicht vielmehr, dass es nicht ist.“ (Parmenides). Jesus und Sokrates waren die beiden, die nicht geschrieben haben, und von deren Geist doch die ganze Menschheit getragen wird, ohne, dass es ihr recht bewußt ist. Schreibt man, so stellt dies immer einen Münchhausen-Akt dar. Nur ein mal schreibt Jesus, und zwar in den Sand. Und Sokrates schreibt auch einmal, nämlich Lieder – zwischen Gefangennahme und Urteilsvollstreckung – By the way: hat sich jemand mal überlegt, warum Simon Petrus vom Fischerboot aus sich erst bekleiden muss, bevor er zum Herrn ans Ufer schwimmt, „denn er war nämlich nackt“? Eine andere Wasser-Überquerung fällt dazu ein: als Jesus eben über das Wasser wandelt: „Fürchtet euch nicht!“, sagt er. Warum wird dies extra erwähnt, wenn es doch selbstverständlich war, als Fischer nackt zu fischen, damals? Macht euch keine Sorgen um die Leiblichkeit … Auch als Auferstandene werdet ihr weder hungern, noch der Schönheit des Leibes entbehren. Petrus hält die Scham-Grenze der Kultur ein; es wird, zum dritten Mal, nach einer leiblichen Stärkung die Begegnung mit Jesus in einem kulturellen, bekleideten Kontext wiedergefunden. Das Normale im Ungeheuerlichen wiederhergestellt durch diese Bekleidungsgeste. Sie ist ein winziges Komma an einer Stelle, wo es gilt, die Differenz von Jesus Lehre in die Wirklichkeit eingehen zu lassen. Petrus legt den Weg schwimmend im Element zurück, bekleidet, den Weg, welchen Jesus auch schon gegangen ist, seine Kleider jedoch hat er bekanntlich im Grab zurückgelassen. All diese Dinge sind viel zentraler, als wir glauben, und der Tag, an dem die Religionen allesamt die Natürlichkeit der Körper anerkennen und das Tabu der Nacktheit ebenso fällt, wie das Diktat der Mode, wird vielleicht auch ein Tag sein, an dem Uranus ein gradgenaues Trigon zur Sonne bildet. An diesem Tag wird das Wort „Anmut“ wieder einen Sinn bekommen, und die Perversionen werden verschwinden.

Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.